Löwen retten Leben – Kampf dem Nichtstun

In Baden-Württemberg macht Wiederbelebung Schule –Pilotprojekt in der Fritz-Boehle-Grund- und Werkrealschule Emmendingen
von Regina Keller

„Stayin‘ alive“ dröhnt es aus den Lautsprecherboxen – die Bee Gees und ihr geradezu sinngebender Song („Überleben“) gibt den Rhythmus vor. Neun Schüler der Klasse 8 werden von der Fachlehrerin Birgit Faller angespornt mutig die Puppen zu drücken, die vor ihnen liegen und die den Notfall simulieren sollen. Der Notfall heißt schnelle Hilfe leisten, bei Personen, die sich in einer Notlage befinden, genauer  – die ohnmächtig geworden sind und Atemstillstand festzustellen ist. Da kommt es auf Sekunden an.

Löwen Schüler in Aktion

Schüler in Aktion – sie kommen ordentlich ins Schwitzen – 100 mal pro Minute heißt es feste drücken.

Und um diese schnelle Hilfe leisten zu können, hat das  Ministerium für Kultus, Jugend und Sport ein Projekt gestartet, das vom DRK, der Sparkasse und der Aktion 100pro reAnimation gefördert wird. Die Ansprechpartner sind die Schulen in Baden-Württemberg. Die Fritz-Boehle-Werkrealschule ist nun mit einem Pilotprojekt in Emmendingen gestartet. Fachlehrerin Birgit Faller hat den Test mit 9 Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse  auf den Weg gebracht. „Löwen retten Leben“ heißt die Aktion. Warum nun die „Löwen“ das Bild zeichnen, hat nicht nur mit dem Löwenmut zu tun, den man vielleicht voraussetzen würde. Die Löwen sind Bestandteil des Baden-Württembergischen Landeswappen und hier eben als Sinnbild gedacht. Aber die jungen „Retter“ zeigten durchaus auch Löwenkräfte. Die bedarf es schon, wenn man an den Puppen, die bereitgestellt werden, den Ernstfall simuliert.

Aber zuerst heißt es Prüfen – Rufen – Drücken. Dies gilt als Grundlage dieses Grundkurses. Prüfen: in welcher Lage ist die Person, die da Hilfe braucht.   Liegt ein Herzstillstand vor, dann heißt es sofort handeln. Rufen: weitere Hilfe herbeirufen, Rettungsdienst anrufen 112, und dann sofort kommt das Drücken! 100 Mal pro Minute muss der Punkt in der Brustkorbmitte mit beiden Händen kraftvoll gedrückt werden.

Die Puppen geben einen Ton ab, der signalisiert: genau richtig und fest genug. In diesem Augenblick wird das Klassenzimmer zur Rettungsstation und die anfänglichen Ängste der Probanden fallen ab. „Und wenn wir der Person dabei eine Rippe brechen“ war die allgemeine Befürchtung. Birgit Faller nimmt die Ängste: „Lieber eine gebrochene Rippe in Kauf nehmen, als den Tod“. Und dann legen die Schülerinnen und Schüler los – vor ihnen die Puppen, im Raum die Musik der Bee Gees, der Rhythmus gibt das Tempo vor. Und dann kommen sie auch schnell ins Schwitzen, denn es ist anstrengend, mehrere Minuten dieses „Drücken“ durchzuhalten.

Am Ende dieser ungewöhnlichen Schulstunde sitzen die „Lebensretter“ in der Runde mit ihrer Lehrerin und sind ein wenig über sich selbst erstaunt. Saskia aber ist sich sicher, dass sie mit dieser Übung den Mut aufbringen würde im Ernstfall einzugreifen.

Und die anderen: „Wir haben heute viel gelernt und wissen nun, wie wichtig solche Praxisübungen sind“.

löwen 1 mit Birgit Faller Demo

So geht es richtig: Fachlehrerin Birgit Faller zeigt den „Löwen“ wie sie es richtig machen müssen, wenn der Notfall eingetroffen ist.

Die Puppen werden wieder eingepackt, sie sollen auch in den anderen Klassen noch ihren Dienst tun. Birgit Faller will, dass es nicht nur bei einem „Piloten“ bleibt, sondern dass diese „Löwen“ auch in den anderen Klassen lernen Leben zu retten. Ihr Wunsch ist es, dass dieser Kurs fester Bestandteil des Unterrichts wird.

Dieser Wunsch hat einen ernsten Hintergrund: Jährlich sterben in Deutschland durchschnittlich 100.000 Menschen an einem plötzlichen Herztod. Viele könnten noch leben, wenn Ersthelfer bis zum Eintreffen des Notarztes eine Herzdruckmassage durchgeführt hätten. Vor diesem Hintergrund hat das Kultusministerium in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), der Stiftung Deutsche Anästhesiologie, Laerdal Medical und dem Sparkassenverband Baden-Württemberg die Initiative „Löwen retten Leben – In Baden-Württemberg macht Wiederbelebung Schule“ gestartet. Das Kultusministerium investiert insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, damit in den kommenden vier Jahren rund 5.200 Lehrkräfte aus 2.600 Schulen in Baden-Württemberg fortgebildet werden können.

Das deutsche Reanimationsregister (www.reanimationsregister.de) belegt: Nur etwa 18 Prozent der Bundesbürger helfen im Ernstfall. Die Niederlande und die skandinavischen Länder liegen hier bei über 60 Prozent. Der plötzliche Herztod ist mit schätzungsweise bis zu 100.000 betroffenen Menschen pro Jahr eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Bereits drei Minuten nach einem Herzstillstand wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt – es treten unwiderrufliche Schäden auf. Bis der Rettungsdienst eintrifft, dauert es meist acht bis zwölf Minuten und im Einzelfall auch deutlich länger. Ein Beginn der Wiederbelebung durch Laien verbessert die Überlebensrate um das Zwei- bis Dreifache. Und genau aus diesem Grund will die Fachlehrerin Birgit Faller auch weitere Klassen der Fritz-Boehle-Werkrealschule Emmendingen dazu bringen ihr „Löwenherz“ im Bedarfsfall zu zeigen.

www.loewen-retten-leben.de

Dieser Beitrag wurde unter Klasse 8, Schulleben veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.